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Warum ich das „Hamburger Sie“ so mag
Die Deutschen und ihre Anredeformen – fast schon ein eigenes Drama. Während man sich in den USA munter mit „first name only“ durchs Leben schlägt, wird hierzulande oft abgewogen, gezögert, gerungen. Und dann kommt Hamburg daher und sagt: „Na klar, wir können das alles auf einmal!“ Herausgekommen ist das legendäre Hamburger Sie – eine Mischung aus Nähe und Distanz, die irgendwie norddeutsch-pragmatisch ist: Vornamen plus „Sie“. Punkt.
Der Unterschied in Kürze
Normales Sie: „Frau Müller, könnten Sie …?“ → respektvoll, aber mit Distanz.
Normales Du: „Sabine, kannst du …?“ → vertraut, freundschaftlich, unkompliziert.
Hamburger Sie: „Sabine, könnten Sie …?“ → die goldene Mitte, eine Art verbaler Handschlag.
Und dann gibt’s noch die etwas wunderliche Variante, die früher in Kaufhäusern praktiziert wurde: „Frau Müller, kannst du …?“ – das sogenannte Berliner Du. Klingt wie ein Knoten in der Zunge und fühlt sich genauso an. Zum Glück ist das nicht mehr weit verbreitet.
Kleine historische Notiz
Das Hamburger Sie ist nicht etwa ein neuer Trend, sondern wird seit dem 19. Jahrhundert in hanseatischen Kreisen gepflegt. Kaufleute, die sich regelmäßig trafen, wollten einander mit Vornamen ansprechen – gleichzeitig sollte die geschäftliche Distanz durch das „Sie“ gewahrt bleiben. So wurde das Hamburger Sie zum Sprachgebrauch in Kontoren und Handelsgesellschaften. Man sagt, es sei sogar bis ins Rathaus getragen worden.
Warum mir das Hamburger Sie gefällt
Ich bin Norddeutscher – und wir wechseln nicht von heute auf morgen vom Sie zum Du. Manchmal dauert das. Nicht aus Kälte, sondern aus Respekt. Da kommt mir das Hamburger Sie gerade recht: Es schafft eine vertrauliche Atmosphäre, ohne den Respekt über Bord zu werfen.
Mit meinen Kunden bin ich heute meistens per Du – oft, weil wir seit Jahren zusammenarbeiten. Aber gerade am Anfang finde ich das Hamburger Sie perfekt: ein bisschen Nähe, ein bisschen Distanz, genau die richtige Mischung.
Online vs. Offline
Auf meiner Website haben wir uns trotzdem für das Du entschieden. Ganz einfach: Das Hamburger Sie lässt sich digital nicht wirklich darstellen – man muss es hören, fühlen, im Dialog erleben. Da wäre ein „Karl, könnten Sie …?“ auf einer Website schlicht fehl am Platz.
Im Kundenportal dagegen nutze ich es sehr bewusst. Dort, wo die Zusammenarbeit beginnt, wo man schon persönlicher spricht, da passt es. Und wenn ein Kunde lieber gleich beim Du ist: umso besser. Flexibilität ist schließlich auch eine Form von Respekt.
Gleichwohl: Die Umstellung der digitalen Ansprache auf das „Du“ war ein Wagnis und ist mir nicht leicht gefallen. Ausschlaggebend war die konsequent definierte Zielgruppe der kleinen Unternehmen, die Nähe bevorzugen und bei der man ohnehin schnell beim Du ist. Und: Untersuchungen zeigen, dass die informelle Ansprache im Marketing oft positiver wirkt und mehr Resonanz erzeugt, gerade wenn eine Marke „warm“ und menschlich wirken möchte. Damit ist klar: Online, wo Nähe wichtig ist und die Ansprache automatisch unpersönlicher wirkt, ist das Du im Vorteil. Offline, wo Respekt und persönliche Begegnung zählen, passt das Hamburger Sie besser.
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Ob Sie, Du oder Hamburger Sie – entscheidend ist, dass wir ins Gespräch kommen.
Jetzt Kontakt aufnehmenFußnote: Studien zur Ansprache
Eugina Leung, Anne-Sophie I. Lenoir, Stefano Puntoni u. a. (2022): Consumer preference for formal vs. informal address: The role of brand warmth and competence. Oklahoma State University – PDF.
Thomas Kretzenbacher (2024): Pronominal Address in German Sales Talk. MDPI – Languages, Vol. 9, Issue 10, Article 316.